Otto hat geschrieben:
Um den Streik zu unterlaufen, kündigte Mehdorn zugleich ein Sonderausbildungsprogramm für Bewerber in- und außerhalb des Unternehmens an. "Das soll uns möglichst rasch zusätzliches Fahrpersonal bringen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Bahn AG.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,498120,00.html
Und Streikbrecher gehören in die unterste Kategorie Mensch, die man sich vorstellen kann. Wer Streikbrecher einsetzt, fordert Gewalt heraus.
Genau das ist aber eine der wichtigsten und elementaren Streitfragen, eine von denen,
wo Mehdorn und Konsorten eine Richtung einschlagen die beinahe 100%ig entgegen der
Richtung der (meisten) Gewerkschaften geht - auf jeden Fall entgegen der GDL und auch gegen ver.di.
Da geht es nämlich letzten Endes ums Eingemachte, um Qualität und Umfang der für
den Job des Lokführers notwendigen und vorgeschriebenen Ausbildung.
Nicht umsonst ist das - neben der Erhöhung der Mindest- oder Einstiegslöhne -
die wesentlichste Forderung der GDL, die mit einem eigenen Tarifwerk für das Fahrpersonal
weiter tarifvertraglich abgesichert werden soll.
Mehdorn möchte nicht nur einfach "mehr" ausbilden.
Das wäre ja bei der Tendenz der deutschen Industrie, deutlich unter ihrem Bedarf selbst in die
Berufsausbildung zu investieren und Ausbildungsplätze anzubieten, auch mal was ganz neues.
Mehdorn geht es offensichtlich um eine geringer qualifizierte dafür aber besser verfügbare
und leichter einzuschüchternde Belegschaft, aufgesplittert in zahlreiche neue Mini-Unternehmen.
Noch gibt es Lokführer praktisch nicht bei Zeitarbeitsunternehmen, genau sowas aber wäre Mehdorns Traum.
Musterbeispiel Deutsche Bank und Manpower :
Die Deutsche Bank ist 50%iger Partner der Firma Manpower in einer gemeinsamen Tochterfirma,
dem Zeitarbeitsunternehmen Bankpower.
Die Mitarbeiter dort (inzwischen weit über 1000) kommen überwiegend aus der Deutschen Bank,
die ja in den letzten Jahren ganz massiv Personal abgebaut hat und sind meist hochqualifiziert.
Rund 50% der jetzigen "Bankpower"-Angestellten arbeiten so jetzt wieder für die Deutsche Bank -
aber ohne dort fest angestellt zu sein und zu einer Bezahlung die verdammt nahe an den
sonstigen Tarifen der Zeitarbeitsfirmen liegt, allemal also gewaltig unter den normalen Banktarifen.
Bei der Bahn kommt zu diesem Modell noch die berufliche Abqualifizierung hinzu :
Es deutet sich an, dass über derlei "Sonderausbildungsprogramme" in Zukunft Lokführer
mit einer Schmalspur-Ausbildung mehr und mehr zur Regel werden dürften.
Der Strassengüterverkehr macht das der Bahn seit Jahren "erfolgreich" vor :
Die komplette anerkannte Berufsausbildung des "Berufskraftfahrers" als normaler Lehrberuf
ist heute zwar noch nicht ganz tot, eindeutig aber auf dem besten Weg zum Aussterben.
Stattdessen ist wieder der billigere und willigere "Hilfsarbeiter mit Führerschein" gefragt.
Mittlerweile ist diese Pseudo-Ausbildung sogar europaweit als Standard festgelegt,
auch wenn das ursprünglich eigentlich als Mindeststandardregelung gedacht war.
Praktisch schaut das so aus dass Inhaber der Fahrerlaubnis C/CE (alt 2) eine mindestens
zweiwöchige Schulung machen müssen, in der es u.a. um Ladungssicherung und ähnliches geht.
Meistens wird das in der Praxis auch noch mit der Sachkundeschulung für Gefahrgut verbunden
(der sogenannten ADR-Schulung, in der Regel allerdings nur für Stückgut).
Wenn man gegenüberstellt dass diese Lehrgänge, die mit einem Zertifikat unter dem Titel
"geprüfter Kraftfahrer" bei allen möglichen Weiterbildungsträgern laufen (TÜV, Dekra usw.)
gerademal zwei oder drei Wochen (im Minimum, es gibt auch längere Kurse) dauern -
gegenüber einer normalen Lehrzeit von zweieinhalb bis dreieinhalb Jahren -
dann wird deutlich, was sich da an Kosten zu Lasten der Qualität einsparen lässt
Auf der Strecke bleibt dabei zwar vor allem die Sicherheit, aber wen juckt das denn ??
Die Aktionäre doch ganz bestimmt nicht...
