Ich lese ja nun schon eine ganze Weile Bücher von Autoren, die sich in irgendeiner Form mit der Geschichte der Aufklärung befassen (bzw wie es dazu kam, daß dieses Projekt so umgeschlagen ist), Thomas Pynchon, William Gaddis, John Barth, Neal Stephenson, David Mitchell, und zu diesem Zweck das Genre des historischen Romans im postmodernen Sinn wiederbelebt haben.Klappentext:
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts machen sich zwei junge Deutsche an die Vermessung der Welt. Der eine, Alexander von Humboldt, kämpft sich durch Urwald und Steppe, befährt den Orinoko, kostet Gifte, zählt Kopfläuse, kriecht in Erdlöcher, besteigt Vulkane und begegnet Seeungeheuern und Menschenfressern. Der andere, der Mathematiker und Astronom Carl Friedrich Gauß, der sein Leben nicht ohne Frauen verbringen kann und doch in der Hochzeitsnacht aus dem Bett springt, um eine Formel zu notieren - er beweist auch im heimischen Göttingen, dass der Raum sich krümmt. Alt, berühmt und ein wenig sonderbar geworden, treffen sich die beiden 1828 in Berlin.
http://www.perlentaucher.de/buch/21947.html
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Mit Daniel Kehlmann hat ein junger deutscher Schriftsteller einen überzeugenden Roman vorgelegt, der den Vergleich mit den amerikanischen und angelsächsischen Vorbildern nicht zu scheuen braucht, wobei Kehlmanns größtes Pfund sicherlich sein intelligenter Humor ist. Ein intelligenter und witziger Roman. Auszüge:
Nun also versteckte sich Professor Gauß im Bett. Als Minna ihn aufforderte aufzustehen, die Kutsche warte und der Weg sei weit, klammerte er sich ans Kissen und versuchte seine Frau zum Verschwinden zu bringen, indem er die Augen schloß. Als er sie wieder öffnete und Minna immer noch da war, nannte er sie lästig, beschränkt und das Unglück seiner späten Jahre. Da auch das nicht half, streifte er die Decke ab und setzte die Füße auf den Boden. (7)
Seltsam sei es und ungerecht, sagte Gauß, so recht ein Beispiel für die erbärmliche Zufälligkeit der Existenz, daß man in einer bestimmten Zeit geboren und ihr verhaftet sei, ob man wolle oder nicht. Es verschaffe einem einen unziemlichen Vorteil vor der Vergangenheit und mache einen zum Clown der Zukunft.
Eugen nickte schläfrig.
Sogar ein Verstand wie der seine, sagte Gauß, hätte in frühen Menschheitsaltern oder an den Ufern des Orinoko nichts zu leisten vermocht, wohingegen jeder Dummkopf in zweihundert Jahren sich über ihn lustig machen und absurden Unsinn über seine Person erfinden könne. (9)
So etwas mag ich, das ist gut geschrieben.Gauß kam auf den Zufall zu sprechen, den Feind allen Wissens, den er immer habe besiegen wollen. Aus der Nähe betrachtet, sehe man hinter jedem Ereignis die unendliche Feinheit des Kausalgewebes. Trete man weit genug zurück, offenbahrten sich die großen Muster. Freiheit und Zufall seine eine Frage der mittleren Entfernung, eine Sache des Abstandes. Ob er verstehe?
So ungefähr, sagte Eugen müde (...).
Doch die Regeln der Wahrscheinlichkeit, fuhr Gauß fort, während er die Hände auf seinen schmerzenden Rücken preßte, gälten nicht zwingend. Sie seien keine Naturgesetze, Ausnahmen seien möglich. Zum Beispiel ein Intellekt wie seiner oder jene Gewinne beim Glücksspiel, die doch unleugbar ständig irgendein Strohkopf mache. Manchmal vermute er sogar, daß auch die Gesetze der Physik bloß statistisch wirkten, mithin Ausnahmen erlaubten: Gespenster oder die Übertragung der Gedanken.
Eugen fragte, ob das ein Scherz sei. (13)