Fahrermangel in den Niederlanden

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jr
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Fahrermangel in den Niederlanden

Beitrag von jr »

Im Artikel geht es zwar "nur" um LKW-Fahrer, aber es ist ein interessanter Aspekt genannt:

http://www.verkehrsrundschau.de/sixcms/ ... ?id=562442
Auch die stabile Situation auf dem niederländischen Arbeitsmarkt arbeitet nicht zugunsten des Verkehrsgewerbes. Berufseinsteiger oder Menschen, die sich beruflich umorientieren wollen, finden heute sehr schnell einen Job nach ihren Vorstellungen in anderen Branchen in den Niederlanden.
Das ist eine Sachlage, die auch dem Taxigewerbe noch zu denken geben könnte, vielleicht eines Tages auch hierzulande.
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761-167
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Beitrag von 761-167 »

Derartige Horrorszenarien beschreit auch das deutsche Fuhrgewerbe nur zu gerne :
Wegen Fahrermangels und "zu hoher Auflagen" aufgrund der EU- sowie diverser
Arbeitsschutzbestimmungen angeblich nutzlos herumstehende LKW-Flotten :lol:
Und dann streiken auch noch diese Lokführer-Terroristen die restliche Logistik kaputt :lol: :lol:

Ansatzweise mag das in Holland zutreffen - da muss man aber auch schon etwas genauer lesen :
Was da nämlich gesucht wird, ist ausreichend qualifiziertes Fahrpersonal.
In Deutschland benutzt man bei dieser gewerbespezifischen Variante des grossen
Aufschwung-Märchens allerdings lieber nicht diesen Hinweis "qualifiziert".
Nachdem praktisch gar keine nennenswerte Ausbildung in dem ja erst vor wenigen Jahrzehnten
neu geschaffenen Lehrberuf des Berufskraftfahrers mehr stattfindet,
sondern stattdessen allenfalls noch Schmalspur-"Ausblidungen" über jeweils einige
Wochen angeboten werden geht der Trend nämlich in Deutschland ganz eindeutig wieder
zum "Berufskraftfahrer light" und ebendieser hiess früher präziser "Hilfsarbeiter mit Führerschein" :x

Genau dieser Ansatz zur Qualität scheint mir bei einem nur allzu grossen Teil des deutschen
Taxengewerbes nun ebenfalls wirklich so nicht vorzuliegen, wie sollte das bei den bekannten
Hungerlöhnen in grossen Teilen des Gewerbes auch zu realisieren sein ?
Da langt es doch angeblichlich bei einigen besonders notleidenden Unternehmen schon,
wenn der Fahrer jemanden gut genug kennt, der eine gültige Fahrerlaubnis hat... :roll: :lol:
Das Niveau der sogenannten Ausbildung ist bekannt, jeder seriöse Arbeitgeber einer
anderen Branche würde das bestenfalls als "Einweisung" bezeichnen.
In Hamburg dagegen langt das bei einem der famosen Verbände sogar für eine "Taxi-Akademie" :lol: :lol: :lol:

Richtig ist aber sicherlich, dass sich auch im Taxen- und Mietwagengewerbe weiter
die Spreu vom Weizen trennen wird, d.h. dass sich die besseren Unternehmen durchsetzen werden,
wobei zu hoffen ist, dass das auch in angemessenen Arbeitsbedingungen seinen Niederschlag findet.
Schon jetzt liegen Welten zwischen den Taxi-Tarifverträgen etwa in Bayern und der Realität
des Taxengewerbes im Osten oder etwa in Berlin oder Hamburg und an vielen anderen Orten.
Wenn man diesen Kollegen dann gar noch skandinavische Taxi-Tarifverträge vorlegt,
dann müssen denen doch eigentlich nur noch die Tränen kommen... :wink:
Eddy

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Gerald
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Beitrag von Gerald »

Dann würden mir doch gerne mal die Tränen kommen....
Kannst du diese Tarifverträge mal irgendwie "rüberwachsen" lassen?
Bedankt!
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Otto
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Beitrag von Otto »

761-167 hat geschrieben:Richtig ist aber sicherlich, dass sich auch im Taxen- und Mietwagengewerbe weiterdie Spreu vom Weizen trennen wird, d.h. dass sich die besseren Unternehmen durchsetzen werden, wobei zu hoffen ist, dass das auch in angemessenen Arbeitsbedingungen seinen Niederschlag findet.
(...)
dann müssen denen doch eigentlich nur noch die Tränen kommen... :wink:
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761-167
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Beitrag von 761-167 »

Gerald hat geschrieben:Dann würden mir doch gerne mal die Tränen kommen....
Kannst du diese Tarifverträge mal irgendwie "rüberwachsen" lassen?
Bedankt!
Null Problemo, wir hatten ja schon einen kleinen Austausch per PN dazu, nun hier also mehr.
Ich hatte Gerald zugesagt, mit konkreten Details der von mir angesprochenen nordischen
Taxi-Lohntarifverträge rüberzukommen und komme dem jetzt gerne nach.
Das wichtigste Dokument dazu dürfte der aktuelle landesweite norwegische Tarifvertrag sein,
den kann sich jetzt jeder selbst anschauen, steht ab sofort als PDF-Dokument zum Download
auf meiner Homepage bereit unter
:arrow: http://freenet-homepage.de/761-167/Taxi ... rwegen.pdf
Das Dokument ist mit etwa 90 kb nicht besonders gross, man braucht dazu natürlich einen pdf-Reader,
d.h. es muss ein geeignetes Programm auf dem Rechner installiert sein, etwa der Adobe Reader oder
(kleiner, Freeware, empfehlenswert) etwas wie der "foxitreader" oder ein anderes ähnliches Programm.

Auch wenn dieser Text natürlich in norwegischer Sprache ist, halte ich es schon für besser,
hier das Original mit einzuführen, ich könnte Euch ja sonst erstmal viel erzählen :lol:

(In doitscher Sprache liegt das Dokument nicht vor, das ist auch spätestens seit Mai 1945
für derlei Dokumente in Norge aus gutem Grund nicht mehr üblich so... :wink: )
Damit man sich nun aber nicht zwingend Wort für Wort durch eine fremde Sprache hangeln muss
oder das ganz grosse Chaos eines Übersetzungsprogramms veranstaltet, liste ich die allerwichtigsten
Details daraus hier auch noch mal auf deutsch in Kurzform mit ein paar Erläuterungen auf.

1. Der Vertrag gilt landesweit in ganz Norwegen, soweit es in der jeweiligen Region/dem Ort
gewerkschaftlich organisierte Fahrer gibt, er ist jedoch nicht etwa allgemeinverbindlich
(was vom Gesetz her auch möglich wäre und zum Beispiel im Baugewerbe zur Abwehr ausländischer
Dumpinglöhne zumindest in einem grossen Teil Norwegens mit einem allgemeinverbindlichen Tarif gilt).
Der Tarif ist geschlossen zwischen dem Arbeitgeberverband "NT - Norges Taxiforbund"
(es gibt nur den einen !) und den Gewerkschaften, vertreten durch deren Zentralverband
("YS", etwa dem DGB vergleichbar) und die zuständige Fachgewerkschaft ("YTF - YrkesTrafikkForbund").
Er gilt für beide Seiten ausdrücklich auch für alle regionalen Gliederungen der Vertragsparteien,
allerdings immer nur als Mindeststandard - nach oben darf also immer durch örtliche oder Einzel-Vereinbarungen
von diesem Tarifvertrag abgewichen werden.
Solche positiven Abweichungen sind offenbar eher die Regel als die Ausnahme,
kein Wunder allerdings, wenn Fahrer bei niedriger Arbeitslosenquote gesucht sind.
Der Vertrag gilt bis zum 30. April 2008 und verlängert sich automatisch um jeweils ein weiteres Jahr
wenn er nicht mit einmonatiger Kündigungsfrist gekündigt wird.

2. Der Tarifvertrag schreibt eine Regelarbeitszeit von 35,5 Wochenstunden fest.

3. Der Tarifvertrag sieht zwar als Entlohnung eine prozentuale Beteiligung der Fahrer
am eingefahrenen Umsatz
vor, setzt aber mit einem Mindest-Stundenlohn dabei
eine solide Untergrenze. Zudem verrät uns der Vertrag quasi so nebenbei, dass beide Seiten
(Arbeitgeber/Arbeitnehmer) von einem geschätzten durchschnittlichen Stunden-Umsatz einer
norwegischen Taxe von mindestens 293,50 norwegischen Kronen ausgehen
(nach aktuellem Kurs sind das etwa 36,90 €).
Die prozentuale Beteiligung der Fahrer kann (aufgrund unterschiedlicher örtlicher Bestimmungen
und verschiedener Beförderungstarife) regional etwas unterschiedlich ausfallen.
Mindestsatz sind 41% vom Gesamtumsatz (jedoch ohne die Mehrwertsteuer),
in vielen Regionen sind es aber 43,8%, soweit mir bekannt, betrifft das u.a. den Grossraum Oslo.
Der Mindest-Stundenlohn berechnet sich nun nach diesem insoweit anerkannten Umsatz-Durchschnittswert
von 293,50 nok - daraus ergibt sich faktisch ein Garantielohn von 120,33 nok pro Stunde
(aktuell etwa 15,14 €) als niedrigster zulässiger Brutto-Stundenlohn
.

4. Der Tarifvertrag listet (am Ende des §3 unter b und c) einige Beispiele auf, in welchen Fällen
der angestellte Fahrer ebenfalls mindestens mit diesem Mindest-Stundenlohn bezahlt werden
muss, nämlich für Zeiten ohne Umsatz, weil
- das Fahrzeug wegen Reparaturarbeiten etc. ausfällt oder
- der Fahrer mit Nebenarbeiten wie Autowaschen, Fahrzeugpflege und -Wartungsarbeiten beauftragt worden ist.
(dieser Teil war nach meiner Erinnerung in früheren Verträgen noch um einiges umfangreicher)

5. Alle anderen wesentlichen Regelungen ergeben sich schon nach den gültigen norwegischen
Gesetzen (z.B. die Urlaubsregelungen und das sehr gründlich von Deutschland abweichende
System des "feriedagpenge"=Urlaubsgeld), das sind also landesspezifische Besonderheiten,
deren Erklärung hier wohl zu weit führen würde. Tatsächlich geht aber auch da der Tarifvertrag
teilweise ein gutes Stück über das gesetzliche Normalmass hinaus, z.B. durch mindestens fünf zusätzliche
Urlaubstage pro Jahr gegenüber der gesetzlichen Regelung. In anderen Details wird vor allem auf die
gesetzlichen Bestimmungen noch einmal ausdrücklich hingewiesen (etwa bei den Ruhepausen innerhalb
der Schicht oder bei den Vorschriften, für welche Anlässe eine Arbeitsbefreiung/freie Tage
gewährt werden müssen - ein Punkt übrigens, in dem man auch deutlich weiter geht als das in
Deutschland üblich ist; das ist aber insoweit nicht mehr etwas Besonderes für das Taxengewerbe.
Abschliessend sei noch angemerkt dass der Tarif aus gutem Grund nicht ein Wort zum
Thema "Mietwagen" enthält :
diese spezielle Form des Gewerbes gibt es nämlich in Norwegen nicht - da sind das alles Taxen... :wink:
Eddy

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