In OL fährt nach meinem Eindruck mittlerweile etwa die Hälfte aller Fahrer mit einem solchen Gerät herum. Zugenommen hat dabei - ebenfalls nach meinem Eindruck - die Anzahl der Situationen, die an die zweite der unten folgenden Anekdoten erinnern. Immer häufiger werden Adressansagen mit der schlichten Frage nach Straße und Nummer gekontert. Das kommt nicht bei jedem Fahrgast gut an. Dennoch will ich nicht bestreiten, daß das Navi in einigen Fällen auch vertrauensfördernd wirken kann. Zumindest solange der Fahrgast nicht einen Test im Sinne der ersten Kurzgeschichte durchgeführt hat
Anläßlich des Themas hier also noch einmal vier kleine Anekdoten zum Thema, basierend auf wahren Erlebnissen von Fahrern, Fahrgästen und Funkern, ursprünglich unter dem Titel "Du tippen, ich fahren" in der letzten Innenspiegel-Offline-Ausgabe erschienen:
Testfahrt
“Ach, das ist ja toll, daß Sie ein Navi an Bord haben. Mein Handy kann das auch. Würde mich interessieren, was die beiden uns gleich anzeigen.”
“Wo müssen Sie denn überhaupt hin?”
“Zur Max-Mehner-Straße.”
Ich komm da zwar auch ohne diese Spielerei hin, aber probieren kann mans ja mal. Ein paar mal in die Tasten gehauen und schon kann die Fahrt mit dem Fahrgast vom Bahnhof losgehen. Unterwegs gibts trotz des Navi-Tests den üblichen Smalltalk. Stautorkreisel, Paradewall, Schloßwall, Gartenstraße - alles kein Problem. Die Dinger und unser Gespräch funktionieren im Gleichschritt. Diese Harmonie wird allerdings jäh unterbrochen. Auf der Hauptstraße meldet das Handy kurz vor der Autobahn “Bitte nächste Straße rechts!” Wie bitte?! Mein Navi will stur geradeaus. Mein Kopf auch. Der Fahrgast ist irritiert, schaut mich an:
“Was nun?”
“Wir fahren den kürzesten Weg, vertrauen Sie mir.”
Ein paar Minuten später kommen wir an. Mein Fahrgast schaut immer noch staunend auf sein Handy.
“Programmierfehler, würde ich sagen.”
“Jetzt stellen Sie sich mal vor, ich hätte auf der Handyansage bestanden.”
“Stimmt, das wäre teuer geworden.”
“Dann ist es ja gut, daß wenigstens Sie wußten, wo wir sind und daß die Ansage Unfug war.”
“Stimmt, nur mit einem Navi bewaffnet, das dann den Weg falsch weist, da hätte ich den Fahrer zusammengestaucht.”
Aber etwas hätte ich doch gerne ausprobiert: Dem Handy einfach zu folgen und auf die Autobahn zu fahren. Die Frage nach dem weiteren Weg bis zur Max-Mehner läßt mir keine Ruhe.
Mensch-Maschine
“Stand Stiller Weg?”
“Wagen 99”
“Gut Wahnbek”
“Gut Wahnbek? - Wo ist das? - Ich brauche Straße und Nummer.”
“Gut Wahnbek - da gibts keine Straße und Nummer.”
“Ich brauche Straße und Nummer.”
“Das hat keine Nummer. Du fährst einfach die Butjadinger hoch und direkt nach der Autobahnbrücke rechts.”
“Ich brauche Straße und Nummer.”
“Ich habe Dir doch gesagt, Du sollst einfach die Butjadinger hochfahren und dann rechts. Da steht ein Hinweisschild”
“Ich brauche Straße und Nummer.”
“Nun fahr endlich los, das findest Du schon.”
“Ich brauche Straße und ...”
Blindes Vertrauen
Letztens hatte ich aber einen merkwürdigen Fahrer, der mich und mein Fahrrad nach Hause brachte. Beinahe wären wir nicht einmal angekommen. Am Waffenplatz lud er erst mein Fahrrad auf und dann kam die übliche Frage: Wohin solls denn gehen? Zur Bürgerstraße bitte! Doch was macht er jetzt?! Er bewegt seine Hände zum Navi, das da vor der Scheibe hängt. Tippt die Adresse ein. Und nach einer knappen Minute fährt er tatsächlich los. Ich staune. Muß der das nicht auch ohne technische Hilfsmittel schaffen? Egal. Ich habe ein paar Bier getrunken, also Hauptsache es geht nach Hause.
Auf der Donnerschweer merk ich noch, wie das Ding ansagt: Nach 200 Meter links. Und was macht der Fahrer? Der biegt in die Lindenstraße rein. Ich werde laut: Warum biegen Sie hier ab? Keine Antwort - er zuckt zusammen. Merkt, daß was schief gelaufen ist. Oder gleich noch laufen wird. Ich will mein Fahrrad haben und zu Fuß weitergehen. So geht das ja nicht. Fast zu Hause und dann fährt der einfach woanders hin. Er läßt sich überreden: Umdrehen und noch ein Versuch. Na bitte, geht doch. Nur das Navi stört, es hat das vorzeitige Abbiegen inzwischen auch bemerkt und will unbedingt in die Bürgereschstraße weiter. Zu spät, der Fahrer hat das Steuer schon herumgeworfen.
Endlich vor der Haustür angelangt, bekommt die Odyssee erneut eine unerwartete Fortsetzung. Ich sage: Stop, hier können Sie mich absetzen. Der Fahrer ist die Ignoranz in Person - er fährt dran vorbei. Wo wollen Sie denn hin? Sie sind schon 200 Meter zu weit. Der Fahrer schaut mich verständnislos an und stoppt das Taxi. Hilflos zeigt er auf sein Navi. “Sie sind am Ziel angelangt” erklärt das Teil. Ich schaue zurück und habe verstanden. Das Teil hat ihn hypnotisiert.
Hörfehler
Immer diese Betrunkenen. Lallen können sie gerade noch. Mit viel Glück sind sie nicht weiter betreuungsbedürftig. Und dann muß man denen auch noch aus der Nase ziehen, wohin oder was sie eigentlich wollen. “Nach Hause!” Wer hätte anderes gedacht. Oder wenn die Promillezahl dem zweistelligen Wert näher gekommen ist: “Paschenecher Schraase”. Damit kann man dann sogar noch was anfangen. Wenn man sich hier ein wenig auskennt jedenfalls. Ist ja schließlich eine der Hauptverkehrsstraßen.
Auch bei den kleinen Sackgassen klappt es mit etwas Erfahrung. Man muß halt nur wissen, auf wieviele Weisen ein Name ausgesprochen werden kann. Wenn einem der Name auch inhaltlich was sagt, ist das natürlich zusätzlich von Vorteil. Wenn jemand eine Werner-von-Beethoven-Straße als Ziel nennen würde, ließe sich mit etwas Allgemeinbildung feststellen, daß man vielleicht nur gefoppt wird.
Manchmal überlege ich mir, wie das wohl die Fahrer machen, die jetzt neu anfangen und sich gleich für viel Geld auf den neuesten technischen Stand bringen. Ein Grinsen überkommt mein Gesicht, wenn ich mir vorstelle, daß sie sich das erste Mal als Ziel “Chermupeschrasse” anhören müssen. Böse Falle. Mit diesen Anfangsbuchstaben kommt man beim Navi nicht weit. Und der Fahrgast? Kann nicht weiterhelfen. Artikulation mangelhaft. “Du tippen - ich fahren” wird bei dessen Zustand nichts bringen. Aber es würde den Fahrer weiterbringen, wenn ihm das hiesige Pendant zum Oldenburger August Hinrichs bekannt wäre. Wie sollte man sonst wissen, daß es in Osnabrück tatsächlich einen Straßennamen gibt, der mit den fünf Buchstaben h, i, ä, r und m beginnt.
(wag)
