Man könnte die Sache ja auch mal (ausnahmsweise) ohne persönliche Anmache inhaltlich prüfen:
Tchibo und Esso haben eine gemeinsame Werbeaktion für Kaffeesorten an bundesweit rund 700 Tankstellen unter dem Slogan «Jedem den Seinen» gestoppt. Die Redewendung «Jedem das Seine» («suum cuique») hatten die Nationalsozialisten missbraucht: Er stand über dem Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar. Geprägt hatte ihn allerdings der Philosoph Cato der Ältere vor mehr als 2000 Jahren; er meinte ihn positiv: Jeder Mensch soll sein Leben so gestalten können, wie er es möchte.
Es gibt an Fakten, die man festhalten kann:
Cato hat es vor über 2000 Jahren gesagt, die Nazis haben es missbraucht.
Der Missbrauch ist evident, denn die Nazi-Ideologie steht im krassen Widerspruch zu der inhaltlichen Aussage des Zitats: die Nazis hatten gewiss nicht die Ansicht, dass jeder Mensch sein Leben nach seinem eigenen Willen gestalten sollte. Ganz im Gegenteil!
Dass sie sich allerdings einen römischen Sprücheklopfer gesucht haben, macht schon wieder Sinn, denn Hitlers Wahn beinhaltete selbstverständlich den Rückgriff auf das römische Weltreich.
Die Nazis haben noch viel mehr missbraucht, zum Beispiel die deutsche Sprache, die noch heute auf einige überlebende Opfer des Holocaust traumatisierend wirkt - sie können sie nicht hören, ohne dass ihnen davon schlecht wird. Ich kann das gut verstehen, höre deswegen aber nicht auf, in meiner Muttersprache zu sprechen, würde aber persönlich mit Holocaust-Opfern tatsächlich lieber englisch reden.
Tchibo-Sprecherin Angelika Scholz sagte der «Frankfurter Rundschau» (Mittwochausgabe), das Unternehmen habe «nie die Absicht gehabt, Gefühle zu verletzen». Der Slogan sei «unglücklich» gewählt. Esso-Sprecher Olaf Martin sagte, die beauftragte Werbeagentur habe die historische Bedeutung des Satzes offenbar nicht erkannt.
Tja, schlecht gegoogelt, kann man da nur sagen.
Insofern spricht nichts dagegen, dass die Verantwortlichen die Aktion stoppten, als ihnen die weitergehenden Implikationen bewusst wurden. Ich hätte mich zwar auf den Cato gestützt und den Missbrauch des Spruchs durch die Nazis als irrelevant abgetan, aber es ist ihr Geld...
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, sagte der Zeitung, das Plakat sei entweder eine «nicht zu überbietende Geschmacklosigkeit» oder ein Beispiel «totaler Geschichtsunkenntnis». Dass dies immer wieder geschehe, sei zu einem «erheblichen Anteil» im unzureichenden Geschichtsunterricht an Schulen zu suchen.
Hier möchte ich Herrn Korn widersprechen. Wenn den Machern gar nicht bewusst wahr, dass ihr Cato-Zitat von den Nazis missbraucht worden ist, war ihre Aktion auch keine Geschmacklosigkeit, sondern eher eine Dummheit, die nun korrigiert worden ist.
Es gibt keinen Geschichtsunterricht in Deutschland, der uns beigebracht hätte, wie alle die "Sprüche" über den KZ-Toren gelautet haben. Wir kennen alle das üble "Arbeit macht frei" (und jeder, der es unbedarft verwendet, kriegt zu Recht verbal eins drüber), aber keiner, der sich nicht speziell mit der Thematik beschäftigt, kennt jedes dieser missbrauchten Zitate.
Tchibo und Esso sind nicht die ersten, die aus historischer Unkenntnis den Satz «Jedem das Seine» für PR-Zwecke verwenden, wie das Blatt berichtet. 1998 bewarb Nokia austauschbare Handy-Gehäuse. Die Plakate wurden mit dem Shakespeare-Titel «Was ihr wollt» überklebt, nachdem unter anderem das American Jewish Commitee dagegen protestiert hatte.
Kurze Zeit später konnte der Handelskonzern Rewe ein Prospekt nicht mehr stoppen, in dem es hieß: «Grillen: Jedem das Seine». Rewe entschuldigte sich öffentlich. 1999 stoppte Burger King in Erfurt nach Protesten eine Handzettelaktion mit dem Slogan. 2001 waren Kunden entsetzt über eine Werbekampagne für Kontoführungsmodelle der Münchner Merkur-Bank.
Das hätte die Werbeagentur aber nun wirklich wissen müssen, das spricht für schlechte Arbeit und eine ganz erhebliche Dummheit.
Verännern mutt sien, sä de Düvel, do streek he sien Steert gröön an.
"In der Lebenswelt gibt es drei Kategorien, das Essbare, das Kopulierbare und das Gefährliche"
"Mir gefällt Ihr Benehmen nicht."
"Macht nichts. Ich verkauf's ja nicht."