Was hat Sigmund Freud über die Menschenseele herausgefunden?
Verfasst: 16.02.2006, 16:44
Schlechte Nachrichten. "Homo homini lupus", so sieht Freud die Dinge: der Mensch ist des Menschen Wolf. Wir alle sind geborene Egoisten und betrachten jeden anderen Menschen von Natur aus als Feind und Konkurrenten im Kampf um Anerkennung, Liebe und materiellen Besitz. Selbst jeder Liebesbeziehung, so Freud, ist eine ordentliche Portion Hass beigemischt.
Der Mensch ist, so Freud, von Natur aus ein aggressives Wesen. Und morden tun wir nur deshalb nicht, weil Gesetze den Mord unter Strafe stellen. Nicht etwa, weil wir ein moralisches Gewissen hätten, wie Theologen und humanistische Denker behaupten.
Wenn aber, so Freud, Staaten in kriegerischen Zeiten ihren Bürgern die "Lizenz zum Töten" erteilen, dann tobt die "Bestie Mensch" sich aus: an der Front oder auch in den Gaskammern von Auschwitz. Von denen hat Freud nichts gewusst, er ist 1939 gestorben. Aber seine Anthropologie, so der Autor, macht eben auch dieses beispiellose Grauen erklärbar.
Micha Brumlik schlägt also vor, die Freudsche Anthropologie als die Anthropologie des 20. Jahrhunderts zu betrachten, denn dieses Jahrhundert - und wer wollte da dem Autor widersprechen - wird in die Geschichte eingehen als eine Epoche der totalitären Regime, der Gewalt und der Feindseligkeiten.
Micha Brumlik: Sigmund Freud. Der Denker des 20. Jahrhunderts
Beltz Verlag, Weinheim und Basel, 304 S., 22,90 Euro
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