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...mit 33 Jahren noch der Richtige für Junior-Positionen?

Verfasst: 25.11.2015, 10:51
von yogi
SZ-Leser Stephan P. fragt:

Ich bin 33 Jahre alt, habe eine Berufsausbildung absolviert, einen Hochschulabschluss und insgesamt sechs Jahre Berufserfahrung, davon drei Jahre in dem Bereich, in dem ich aktuell auf Jobsuche bin. Nun wurde mir von mehreren Seiten empfohlen, mich auch auf Junior-Positionen zu bewerben, weil man damit einen leichteren Einstieg hätte. Ist es in meiner Situation wirklich noch sinnvoll, mich auf Junior-Positionen zu bewerben? Oder erscheint das eher unglaubwürdig?
www.sueddeutsche.de/karriere/frage-an-d ... -1.2744305

yogi antwortet:

Lieber Herr P., zunächst einmal möchte ich hier in aller Deutlichkeit mit dem alten Ammenmärchen aufräumen, eine Junior-Position böte einen leichteren Einstieg.
Erst letzte Woche begehrte ein Fahrgast, Ihnen anscheinend nicht unähnlich, wie übrigens viele gut ausgebildete Menschen der Geburtsjahrgänge nach 1980, die man pauschal der Generation Y zuordnet, Einlaß in mein Taxi.
Der junge Mann wählte den rechten Sitzplatz im Fond der geräumigen Limousine.
Nun begab es sich, daß sich das Einsteigen des Fahrgastes auffallend lange hinzog und auch die nach einiger Zeit gefundene Sitzposition immer wieder durch leises, jedoch deutlich vernehmbares Fluchen und Wehklagen kommentiert wurde.
Am Zielort eingetroffen verließ der Fahrgast nach ebenfalls langer Ausstiegsprozedur das Fahrzeug in einer leicht gebückten, an eine Ziehharmonika erinnernden, jedem Chiropraktiker zur Freude gereichenden unnatürlichen Körperhaltung.
Ein kurzer Blick in den Fond bestätigte meinen während der Fahrt aufgekommenen Verdacht: der junge Mann hatte die Junior-Position gewählt!
Majestätisch erhob sich der integrierte Kindersitz über die hintere Sitzlandschaft.
Warum ich Ihnen das alles erzähle?
Ihre berufliche Entwicklung kann ich natürlich nicht genau einschätzen.
Meiner Erfahrung nach sind Unternehmen bei der Besetzung von Stellen keinesfalls auf der Suche nach "Schnäppchen". Sie werden vielmehr misstrauisch, wenn ein Kandidat mehr Potenzial hat, als es der Job erfordert, oder wenn er sich zurückstuft, weil er meint, damit die Stelle eher zu bekommen. In solchen Fällen kommt leicht der Verdacht auf, dass jemand die Stelle aus Verlegenheit oder reiner Verzweiflung annimmt, um dann aus einer sicheren Parkposition in Ruhe nach einem besseren Job Ausschau zu halten.
Heute ist vielen Arbeitnehmern bewusst, dass sie möglicherweise bis ins Alter von 70 Jahren arbeiten werden. Manche integrieren daher Erholungsphasen und einen Ausgleich zum Job von Anfang an in ihren Karriereplan.
Und es ist daher legitim, vielleicht sogar sinnvoll aber keinesfalls unglaubwürdig, wenn Sie auf einer Junior-Position verharren, weil sich diese am besten mit Ihrem Lebensentwurf in Einklang bringen lässt.

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