Abgelenkt

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jr
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Abgelenkt

Beitrag von jr »

Aktuell wird die Erweiterung des Handyverbots am Steuer auf weitere Geräte vom Gesetzgeber angedacht. Während ich das reine Telefonieren als eher unproblematisch ansehe (zumindest mit dem Handy, per Smartie sieht das anders aus), sind die Ablenkungen durch klassische Smartie- und Tabletfunktionen schon eine ganz andere Hausnummer. Aber das soll hier mal nicht das Hauptthema sein. Mir fiel gestern Abend mal wieder ein ganz anderer Ablenkungsfaktor von Smartie und Tablet auf, dessen Wirkung sich spöttisch so zusammenfassen ließe: Der Fahrer war physisch anwesend.

In früheren Zeiten schaltete ein mal kleinerer, mal größerer Teil der Fahrer bei jeder Standzeit sofort in den Lesemodus. Während ein Teil die Bild-Zeitung bis zum letzten Buchstaben aussaugte, zogen sich andere vielbändige Romane oder Sachbücher rein. Unabhängig von Qualität und Inhalt einte sie eins: Wenn es am Stand voranging, wurde aufgerückt. Manch einer schaffte das sogar, ohne den Blick dabei nach oben bzw. vorne zu richten. Wer verpennte, pennte fast immer tatsächlich und hatte wohl andere Sorgen als das Besorgen von Lesestoff.

Doch in jüngster Zeit hat sich das Bild mächtig geändert. Papierlesen hat sich rar gemacht, Smartie und Tablet sind angesagt, gelegentlich auch noch begleitet von infernalischem Bassgetöse, sofern das Soundsystem des Taxis das hergibt. Und der Wechsel hat eine Nebenwirkung, die die Ablenkung der neuen Medien sehr schön dokumentiert: Das Vorziehen unterbleibt - die Fahrer merken nix mehr. Immer wieder tun sich am Julius oder in der Wallstraße riesige Lücken auf. Lichthupe zwecklos, selbst die weniger anwohnerfreundliche Akustikversion bringt nicht immer Erfolg. Ich bin sicher, der eine oder andere würde nicht mal auf den Räuber mit dem Ballermann am Fenster reagieren, er bemerkt ihn schlicht nicht mehr. Er würde es wohl auch dann nicht, wenn ihm die Geldbörse unterm Hintern weggeklaut würde. Und auch das habe ich schon erlebt: Kunden steigen ein - und wieder aus. Der Fahrer war nicht in der Lage, auf Arbeitsmodus umzuschalten, wirkte gar, als wüßte er gar nicht mehr, wo er ist. Und wer wird schon den kürzesten Weg zum Ziel finden, wenn der Startpunkt nicht bekannt ist. Noch trifft das relativ wenige Fahrer, aber es werden erkennbar mehr.
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