Tod nach Polizeieinsatz: Wie ein gesunder 19-Jähriger starb
Stand: 13.04.2021 18:00 Uhr
"Unsere Beamten wissen genau, was erlaubt ist", sagte der Polizeipräsident von Oldenburg, Johann Kühme, am 13. März der "Nordwest-Zeitung". Doch bei der rückblickenden Betrachtung der Ereignisse acht Tage zuvor in der Nachbarstadt Delmenhorst ergeben sich Zweifel an der Verhältnismäßigkeit eines Polizeieinsatzes. Nach dem Einsatz starb ein 19-Jähriger. Was ist passiert?
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Fragen zu dem Befund der privat beauftragten Obduktion, wonach Sauerstoffmangel die Todesursache gewesen sei, zu den Zeugenaussagen, die den Darstellungen der Polizei und des Rettungsdienstes teilweise stark widersprechen und zu den frühen Festlegungen der Oldenburger Polizei und ihres Präsidenten, wonach es sich um einen "Unglücksfall" handle, wollte die Staatsanwaltschaft nicht beantworten.
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NDR
Fall Qosay K.: Tod in Gewahrsam
Ein 19-Jähriger läuft vor einer Polizeikontrolle davon, die Beamten holen ihn ein, überwältigen ihn, nehmen ihn mit auf die Wache. Am nächsten Tag ist Qosay K. tot. Ein Unglück? Zweifel sind angebracht.
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"Unsere Beamten wissen ganz genau, was in welcher Situation erlaubt ist", sagte ein paar Tage danach der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme der Nordwest-Zeitung. Unrechtmäßige Polizeigewalt wie bei der Verhaftung von George Floyd in den USA sei ausgeschlossen.
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Süddeutsche Zeitung
Ein Fall wie der Fall George Floyd in Minneapolis? Der Herr Kühme schließt das kategorisch aus, aber er ist kein Arzt."(...) das Protokoll der rechtsmedizinischen Untersuchung (...). Aus diesem ergibt sich, dass Quosay K. an einem Multiorganversagen verstorben sei, dessen genaue Ursache unbekannt ist. Es konnte dem Bericht zufolge eine massive Einblutung im gesamten Magen-Darm-Trakt mit aufgelöster Schleimhaut festgestellt werden. Zudem habe der Inhalt des Verdauungskanals Auffälligkeiten aufgewiesen, sodass eine Vergiftung mit Fremdsubstanzen als Todesursache in Betracht komme.
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Des Weiteren seien Beide Lungen maximal blutig-wässrig eingelagert gewesen, sodass auch akutes Lungenversagen nachvollzogen werden könne. Aus rechtsmedizinischer Sicht sind zur weiteren Aufklärung zusätzliche toxikologische, mikrobiologische und neuropathologische Untersuchungen erforderlich. Von der Staatsanwaltschaft Oldenburg wurden diese bereits in Auftrag gegeben. Sie sind umfangreich, nicht zu beschleunigen und dauern derzeit noch an.
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Delme News
Gestern Nachmittag habe ich rein zufällig den ausführlichen Erläuterungen des Kardiologen Dr. Jonathan Rich auf CNN zugehört, der zum Tod von George Floyd aussagte. Danach ergab sich für mich, säße ich denn in der Jury, keinen Zweifel mehr an der Schuld des angeklagten Polizisten. Wir haben alle das Video gesehen, jemandem neun Minuten lang die Luft zum Atmen zu nehmen kann eventuell zum Tod führen.
Aber auch in diesem Fall hier bei uns hat ein Polizist eine Zeitlang auf einem Menschen gekniet, um ihn zu fixieren, und diesem Menschen geht es danach sehr schlecht. Er bittet um Wasser, das wird von Polizei und Sanitätern abgelehnt. Aber anstatt ihn ins Krankenhaus zu bringen und von einem Arzt untersuchen zu lassen, bringt man ihn in eine Zelle auf der Wache. Dort kollabiert er, wird nach Oldenburg in die Klinik gefahren und stirbt dort. Soweit die Fakten.
Im Unterschied dazu konnte die Sanitäter, der George Floyd am Ort des Geschehens untersuchten, schon keinen Puls mehr feststellen. Schon die Polizisten, die immer noch auf ihm hockten, hatten keinen Puls mehr fühlen können und wohl deshalb die Ambulanz gerufen. Aber das ist natürlich ein gewisser Unterschied zum Delmenhorster Fall. Aber auch Floyd hat um Wasser gebeten, was auch ihm verweigert wurde. Was wir wissen ist, dass beide an der gleichen Todesursache starben, an einem multiplen Organversagen, nachdem minutenlang ein oder mehrere Polizisten auf ihnen hockten. Was war hierfür die Ursache?
Interessant finde ich, dass in beiden Fällen dermaßen auf Drogen verwiesen wird. Zweifelsohne soll damit der Öffentlichkeit suggeriert werden, dass das jeweilige Opfer letztlich wegen seines Lebenswandels selber Schuld sei. Im Fall von Qosay K. war dies Cannabis, das wissen wir, bei George Floyd ist von Crystal Meth die Rede, sicherlich drogentechnisch eine ganz andere Hausnummer.
Aber wie Dr. Jonathan Rich in seiner Zeugenaussage mehr als eindeutig gesagt hat, waren weder Drogen noch irgendwelche Vorerkrankungen bei Floyd verantwortlich für dessen Tod, sondern allein die Tatsache, dass er schlicht minutenlang zu wenig Luft bekommen hat. Bei ihm wissen wir, dass es neun Minuten waren, die zu der Unterversorgung mit Sauerstoff und deshalb zum Organversagen und zum Exitus gereicht haben. Wie lange haben die Delmenhorster Polizisten auf Qosay K. gehockt, um ihn zu fixieren? Diese Zeitangabe fehlt uns leider.
Der rechtsmedizinische Untersuchungsbericht kann ja gerne auf "Vergiftung mit Fremdsubstanzen als Todesursache" verweisen, nur müssen diese dann auch benannt werden. Die Ursache für die "massive Einblutung im gesamten Magen-Darm-Trakt mit aufgelöster Schleimhaut" war mit Sicherheit kein Joint, und andere merkwürdige Substanzen wurden in seinem Blut bisher nicht gefunden. Also ist diese Behauptung einer Vergiftung mit bisher nicht identifizierten Substanzen als Todesursache lediglich eine Spekulation.
Viel wahrscheinlicher ist für mich jedenfalls, dass es nicht gut ist, wenn Polizeibeamte auf Menschen zum Zwecke der Fixierung dieser auf ihnen hocken und ihnen die Luft zum Atmen nehmen. Das kann, wie beide Fälle, der Fall George Floyd und der Fall Qosay K. zeigen, tödlich sein.