Otto hat geschrieben:Ist leider so nicht richtig. Noch am 2. April gab es 6156 neue Fälle. Ich bezweifle also schon mal grundsätzlich die Richtigkeit dieses Artikels, der nicht einmal die Autoren und deren Qualifikation benennt.
Seit wann ist bei Stellungnahmen vor Organisationen eine Autorennennung Pflicht?
Beim 2. April liegst du falsch. Da war der Peak bei den Meldungsterminen, der Peak beim Krankheitsbeginn lag am 16.03.20. Bei geglätteter Kurve könnte man auch noch die 2 oder 3 Tage danach mitnehmen. Für Rückschlüsse auf Einschränkungsfolgen muß man vom 16.03.20 noch ein paar Tage zurückgehen, denn bei der Verbreitung ist der Infektionstermin entscheidend und nicht der Krankheitsbeginn. Der tatsächliche Verbreitungshöhepunkt lag demnach irgendwo in der zweiten Märzwoche. Bis dahin gab es neben den abgesagten Großveranstaltungen vor allem selbst auferlegte Einschränkungen. Am zweiten Märzwochenende war die Gastronomie schon fast zum Erliegen gekommen, die Taxis standen. Und das eindeutig vor dem veordneten Lockdown. Die späteren Maßnahmen dürften durchaus Einfluß auf die Sinkgeschwindigkeit bei den Meldungszahlen gehabt haben. Aber über das Ausmaß wird man mangels Vergleich kaum Aussagen treffen können.
Zu bemerken ist, dass die steigende Anzahl der Test-positiven nicht von einem parallelen Anstieg der Hospitalisierungen und Intensivbehandlungen oder Todesfälle begleitet ist. Dies weckt doch erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Tests und der täglichen Berichte der neuen Test-positiven.
Ibid
Das ist so auch eine merkwürdige Aussage. Viel wahrscheinlicher ist, dass die relativ geringe Anzahl der Erkrankten in Deutschland, verglichen mit fast allen Nachbarstaaten, auf die Maßnahmen, den Lockdown und die Maskenpflicht zurück zu führen ist. Gleiches gilt dafür, dass die Überlastung des Gesundheitssystems nicht im befürchteten Maß eingetreten ist.
Eine belastbare Korrelation zwischen dem Ausmaß von Lockdown/Maskenpflicht und den Erkrankungszahlen im Ländervergleich sehe ich nicht. Es gab in einigen Ländern durchaus heftigere Einschränkungen, ohne daß sich das in den Zahlen wiederfinden ließe.
Derzeit fällt Deutschland zumindest bei den Intensivbehandlungen tatsächlich aus dem Rahmen. Das war beim Abklingen der Früjhahrswelle auch schon so, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen: Während die Zahlen in Ländern wie Italien relativ rasch fielen, lagen die Leute hier deutlich länger flach. Über die Gründe habe ich bisher nichts gelesen.
Auch fragt man sich, warum nicht täglich gemessen und berichtet wird, wie viele Patienten wegen einer Pneumonie durch andere Erreger in ein Krankenhaus oder auf eine Intensivstation aufgenommen werden.
Ibid
Auch diese Daten gibt es. Man kann sich informieren, wie viele Intensivpatienten in deutschen Krankenhäusern behandelt werden. Der Auslastungsgrad lag, als ich die entsprechende Quelle gesehen habe, bei 70%. Zu dem Zeitpunkt hatten die Maßnahmen aber schon gegriffen und es war absehbar, dass Deutschland in jeder erdenklichen Hinsicht besser durch die Pandemie kommen würde als Schweden, Großbritannien, Italien, Frankreich, die USA oder Brasilien.
Das Zitat ist ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Es wird hinterfragt, warum die 40.000 Leute, die hier jährlich an ambulant erworbener Pneumonie sterben, in der öffentlichen Berichterstattung keine Erwähnung finden. Der "Corona-Auslastunggrad" bei den Intensivplätzen liegt aktuell bei <1%. Auf die freien Plätze bezogen liegt er bei 1,1 %. Die selbst bei dieser Auslastung vorkommenden Panikmeldungen einzelner Zeitungen sind einfach schlechtem journalistischem Handwerk geschuldet und ein Verstoß gegen die Regel, Einzelfälle nicht generalisieren.
Was die oft behaupteten "Schäden durch Lockdown und andere Eindämmungsmaßnahmen mit Nutzen-Schaden-Abwägung" betrifft, so sagt der Artikel korrekt, dass es dazu noch keine Datenlage gibt. Objektive wirtschaftliche Schäden gibt es natürlich, und es ist Aufgabe der Politik, hier für einen Lastenausgleich zu sorgen, z.B. durch eine gesonderte Mehrwertsteuer auf den Internethandel und andere Maßnahmen.
Die Internethandelmehrwertsteuer erinnert mich an den Anlauf der Grünen vor ein paar Tagen, die Innenstädte auf diese Weise attraktiver zu machen, um die von ihnen vertriebenen Autoeinkäufer wieder einzufangen. Demnach wäre es besser, wenn viele Leute sich einzeln zur Ware bewegen, als wenn die Waren konzentriert zum Einzelnen gebracht werden. Das ist - leider nicht untypischer - grüner Humbug.
Die Politik muß für einen Lastenausgleich sorgen, da gebe ich dir recht. Besser wäre es aber, wenn sie lernen würde, vor dem Geldausgeben zu rechnen und nicht danach.
Die Corona-Maßnahmen, die Leben gerettet haben, lassen sich dagegen auf keinen Fall aufrechnen. Welchen Zahlenwert sollte man da für einen Toten eintragen?
Daran versuchen sich schon immer eine Menge Wissenschaftler. Da ein Nullrisiko nirgendwo möglich ist, wird es zwangsläufig auch immer ein Ergebnis geben. Ein paar hundert Leute ertrinken hierzulande jedes Jahr, ein paar tausend sterben im Straßenverkehr, mehr als 10.000 bei Stürzen - müßte man nicht Schwimmen, Fahren, Laufen (oder Gehen) und Klettern verbieten oder wenigstens einschränken? Ok, die Verkehrsunfälle sind am besten vergleichbar, da dort auch Dritte beeinträchtigt werden. Trotzdem werden bei den Verkehrsregeln Abwägungen vorgenommen und es wird versucht, ein akzeptables Gleichgewicht zwischen Bewegung und Schaden zu erreichen.
Die von vielen Stellen geschürte Hysterie macht mir Sorgen. Schon kommen erste Rufe, Leute, die gegen Corona-Auflagen verstoßen, dauerhaft wegzusperren und unbegrenzt für alle Folgeschäden haftbar zu machen (aktuell im Fall Garmisch-Partenkirchen - und nein, das habe ich nicht in den üblichen asozialen Medien gefunden sondern auf ZON). Bis zum Verlangen nach "Rübe ab" ist es dann nicht mehr weit. Das läßt weit blicken, welch Irrsinn uns erwarten könnte, wenn der Klimawandel sich eines Tages tatsächlich etwas heftiger bemerkbar machen sollte. Vielleicht reicht dann als Anlaß sogar schon eine kleine Wetterkapriole, damit der Mob sich auf den Weg macht. Ich würde nicht sagen, daß der Umgang mit dem Virus den Grundstein dafür legt, aber er ist ein fetter Punkt in dieser Entwicklung.