"Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte".
Wortlaut der Predigt: www.erzbistum-koeln.de
Abgesehen von der unglücklichen Wortwahl des durch die Nazis kontaminierten Begriffs "entartet" geht es in Wirklichkeit aber um mehr:
Dazu Dirk Knipphals in der TAZ:
Meinungsfreiheit ist nicht gleich Meinungsfreiheit. Es macht eben doch einen Unterschied, ob sich ein Taxifahrer in einem Taxiforum zu gesellschaftlichen und politischen Fragen äußert oder ob dies ein Bischof tut, der mit seinen Predigten einen potentiellen Einfluss auf die Wahlentscheidungen seiner Schäfchen hat."Aber der Skandal geht über die Wortwahl hinaus. Kardinal Meisner hat mehr getan, als ein Wort zu verwenden, das zu Recht auf dem Index steht. Die zentrale Passage seiner Predigt lautet: "Vergessen wir nicht, dass es einen unaufgebbaren Zusammenhang zwischen Kultur und Kult gibt. Dort, wo die Kultur von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultur im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte." Selbst wenn Meisner eine andere Formulierung gewählt hätte, böte diese Ausführung Anlass genug für Empörung.
(...)
Dieser Geist liegt in der Kopplung von Kunst und Religion. Meisner sagt nichts anderes, als dass wahre Kunst nur diejenige Kunst ist, die Gott preist. Ein Taliban würde das kaum anders sagen. So sehr man in linksliberalen Kreisen normalerweise über solche Thesen die Achseln zuckt und zum Alltag übergeht, es ist durchaus an der Zeit, einmal festzuhalten: So eine Kopplung widerspricht nicht allein allem, was in Kunstführern steht und was Kunstlehrer ihren Schülern vermitteln sollten. Sie widerspricht auch der Basiserzählung der modernen Gesellschaft: der von der Emanzipation des Menschen."
http://www.taz.de/index.php?id=digitaz- ... e=1&src=GI
Insofern ist es nicht hinnehmbar, wenn Herr Meisner hier Positionen vertritt, die ihn inhaltlich scheinbar auf eine Stufe mit einem Taliban stellen, ohne dass man ihm vehement inhaltlich widerspricht.
Denn was Herrn Meisner dann doch von einem Taliban unterscheidet, ist die grundsätzlich unterschiedliche Einstellung zu den "Bildern" in der Religion, die im moslemischen Glauben völlig anders ist als im Katholizismus.
Der Islam hat nämlich die Aufforderung, sich keine Bilder von seinem Gott zu machen (siehe Mose und die Geschichte vom Goldenen Kalb), ernst genommen und tut dies auch heute noch (siehe die Mohammed-Karikaturen), während der Katholizismus gerade dadurch so enorm wichtig für die Entwicklung der westlichen Kulturlandschaft geworden ist, dass er jahrhundertelang so eklatant gegen die Worte in seiner Bibel verstoßen hat. Zum Glück für die Kunstgeschichte Europas!
Deswegen ist der Inhalt der Meisner-Predigt so falsch. Eine Kunst, die sich ausschließlich auf Gottesverehrung bezieht, hat es im Katholizismus vielleicht einmal gegeben, aber das ist lange her. Die meisten Kunstschätze, die unsere katholischen Kirchen verzieren, haben heute zwar noch eine künstlerische, hatten aber im Sinne des biblischen Bilderverbots nie eine religiöse Bedeutung. Es sind einfach nur schöne Bilder, und mehr sollen und können sie auch nicht sein.
Der postmoderne Christ weiß doch ganz genau, dass kein von einem Menschen geschaffenes Kunstwerk ein höheres Wesen darstellen kann. Er erfreut sich an der Kunst und bewundert die Kunstfertigkeit der alten Meister, aber er sieht doch nichts Heiliges in ihnen.
Und dass gerade ein Kardinal einen Tanz ums Goldene Kalb fordert, verwundert denn doch sehr.